Wir werden mit Künstler:innen darüber sprechen, was diese Forderung in der Praxis bedeutet.
Den aktuellen Diskurs spiegelt am besten ein imaginäres Gespräch wieder, in das oft gehörte Argumente und Ressentiments einflossen:
Stell dir vor: Straßen ohne Plakatwerbung an Wänden, Gehsteige ohne Dreiecksständer und Aufsteller, Wartehäuser ohne Werbung, öffentliche Gebäude ohne Werbung, …
— Na geh, was wollt’s uns denn die Werbung wegnehmen? Dann wär’s doch total leer!
Man könnte die Häuser wieder sehen, auf Details an den Fassaden achten, man hätte mehr Platz zum Gehen, ohne immer Bögen um Hindernisse am Weg machen zu müssen.
— Naja, die paar historischen Häuser im Zentrum sind vielleicht schön, da hängt eh wenig Werbung,
aber der Rest ist so schiach und grau, diese Fassaden will doch eh niemand sehen.
Viele Gebäude würden erst richtig zur Geltung kommen, wenn Werbung nicht die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, oder dich davon abhält, überhaupt dort hinzuschauen. Beim Bauen wird oft nur an die Nutzung, und nicht die Optik gedacht. Viele Gebäude sind wirklich ziemlich triest, man will sich dort nicht aufhalten. Hier kann Kunst etwas ändern!
— Freilich ändert sich dann was: Die Mieten werden dann teurer. Lasst’s mich also in Frieden
mit eurer Kunst, da hab ich lieber Werbung vor meinem Fenster.
Hier kommt es darauf an, wie und wo man Kunst durch Werbung ersetzt. Wenn man das überall, nicht nur in einem trendigen Bezirk macht, kann man mehr Lebensqualität ohne diesen Nachteil schaffen. Wenn in jedem Bezirk der Städte und quer über das Land Werbung verschwindet und zumindest teilweise durch Kunst ersetzt wird, wird damit alles gleichzeitig aufgewertet.
— Aber durch Werbung erfahre ich doch von tollen Angeboten und neuen Produkten!
Fakt ist: Ohne Werbung würdest du dich für viele Produkte nicht einmal interessieren, oder du sie nicht einmal brauchen. Und wenn du wirklich etwas Neues kaufen willst, kannst du mittlerweile online vergleichen, wo du das Produkt zu den besten Konditionen findest.
— Das stimmt vielleicht für Waschmaschinen, aber wie soll ich dann von Konzerten erfahren?
Kunst und Kultur ist für uns eine andere Kategorie, da hier keine austauschbaren Produkte verkauft, sondern Veranstaltungen angekündigt werden. Hier besteht gesellschaftlicher Mehrwert, hier sind wir daher für Ausnahmen. Um immaterielle Güter anzukündigen, brauchen wir aber nur sehr wenige Plakatflächen, das spricht nicht gegen eine generelle Reduktion von Werbung.
— Aber das ist dann ja doch erst wieder Werbung!
Je genauer man versucht, zwischen Werbung und Kunst zu unterscheiden, desto schwieriger wird es. In der Werbeindustrie arbeiten viele kreative Köpfe, und in vielen Werbesujets wird sehr raffiniert mit unserer Wahrnehmung umgegangen. Viele Grafiker:innen sind auch Künstler:innen – und umgekehrt, da kann man viel über die Motive und Hintergründe sprechen. Auch hierfür will die Initiative Werbefrei Aufmerksamkeit schaffen: Wir werden Künstler:innen vorstellen, die in diesem Spannungsfeld aktiv sind.
— Ah so ist das, na schau dir an.
Illustration Seitenleiste: Lisi Pressl (Creative Commons-Lizenz BY-NC-SA 4.0)